Zwischen Tradition
und Körperarbeit
Symposium der Christlichen
Arbeitsgemeinschaft Tanz
Alle zwei Jahre lädt
die Christliche Arbeitsgemeinschaft Tanz zu ihren Symposien ein.
Über einhundert christlich orientierte Leiterinnen von Tanzkreisen,
Pfarrerinnen und Pfarrer, Gemeindepädagogen und Kirchenmusiker
folgten vom 6. bis 9. Januar der Einladung ins fränkische Kloster
Schöntal, um Liturgien zu feiern, darin zu tanzen und über
eine bewegte Liturgiegestaltung nachzudenken. Die Themenstellung:
ÑDer dem Wechsel der Zeit sichere Ordnung gab ñ Tanz und Leibarbeit
in der All(e)tags-Liturgie, bewegend heilsam" beabsichtigte, Ñdie
Schätze kirchlicher Traditionen mit heutiger Körperarbeit
und liturgischem Tanz in ein Gespräch" zu bringen, so der Einladungsprospekt,
wobei man vor allem zur Teilnahme an verschiedenen Liturgien einlud.
Die spirituell-therapeutisch ausgerichtete Vereinigung Kairos aus
München präsentierte Beispiele ihrer liturgischen Praxis,
die sich vor allem aus ausgewählten, besonders sinnenhaften
Elementen traditioneller Liturgien zusammensetzt: Weihrauchspende,
Lucernar, Fußwaschung, Ikonenverehrung, dazu gesungene Rezitationen
und Tänze, jeweils unter der Einbeziehung aller Mitfeiernden.
Ebenfalls eine sinnenhafte und leiblich bewegte Morgenliturgie bot
der evangelische Kirchenmusiker Hans-Jürgen Hufeisen an. Darin
bildeten eine umfängliche Engel-Symbolik und moderne Kirchentagslieder
eine wohl dem Zeitgeschmack genehme Synthese. Ganz anders, fast
archaisch und inbrünstig berührend, wirkte das Erlebnis
der von einer Abordnung der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde
Süddeutschlands traditionell gesungenen und getanzten Weihnachtsvesper.
Hier konnte man darüber staunen, wie ungemein vital sehr alte
liturgische Traditionen auch von jungen Menschen gefeiert werden
und dabei ganzheitlich ergreifend sein können.
Wenn auch alle drei Feiern
keine Modelle für Alltagsliturgien von Gemeinden oder Gemeinschaften
sein konnten, so standen die beiden neuen Rituale einerseits und
die ganz alte äthiopisch-orthodoxe Liturgie andererseits charakteristisch
für unsere Zeit in ihrem Umgang mit Liturgie: Emanzipiert vom
Traditionellen entstehen neue Feierformen, die unbefangen nach den
Schätzen der Traditionen suchen. So bestand die faktische Thematik
der Tagung in der Frage nach unserer weithin verlorengegangenen
und erst wiederzuentdeckenden Fähigkeit des Umganges mit den
liturgischen Traditionen. Was können, was wollen wir noch ñ
oder schon wieder? Wie Ñaufgeklärt" oder wie elementar soll
unser Gottesdienst sein? Nähren uns besser die amtlichen Liturgien
oder sinnenhafte neue Rituale? Hier blieben weit mehr Fragen, als
Antworten aufgezeigt werden konnten. Daß aber der leibliche
Ausdruck und der Tanz in den künftigen Liturgieformen unabdingbar
sein werden, darüber sind sich die Engagierten ebenso einig
wie sicher. Nahezu sämtliche neue Liturgien weisen Tanz auf.
Bei der Betrachtung dieser
Veranstaltung stimmt nachdenklich, daß ein solch intensives
Arbeiten an der Liturgie wie in diesem Symposium leider fast vollständig
an den Liturgiekundlern vorbeiläuft. Dringlich scheint dagegen
ein beidseitiges Voneinanderlernen zwischen Liturgie-Gestaltenden
und -Lehrenden, so daß Altes verstanden und daraus Neues organisch
wachsen kann.
Gereon
Vogler ©
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