Die Zeitschrift "Gottesdienst"
in ihrer Ausgabe Heft 4/2000 vom 2. März 2000 gibt unter
der Überschrift "Deutung der Tänze bei der Echternacher
Springprozession" unkommentiert
die Meinung eines Neurologen in der Februar-Ausgabe von "Geo" wieder,
der Tanz bzw. der "merkwürdige Tanzstil" sei aus epileptischen
Bewegungen heraus entstanden, und mit einer "Aufführung" solcher
"Tänze" meine man, sich von solcher Erkrankung schützen
zu können. Diese Deutung, die die Zeitschrift "Gottesdienst"
selbst als "alt" bezeichnet, ist in der Tat altbekannt und
ein Unsinn. Eine solche Deutung kann nur der aufrechthalten, der
sich nicht weiter mit Tanzhistorie beschäftigt hat: Denn das
hier prozessionale Springen einschließlich der ursprünglichen
Musikbegleitung ähnelt sehr dem "Hupfen und Springen" der mittelalterlichen
Zeit, in der die Springprozession entstanden ist, stellt also zunächst
schlichtweg eine rezente Tradition dar. Die Affinität zu historischen
bäuerlichen Tanzformen ist unübersehbar, wogegen ein Vergleich
mit epileptischen Bewegungen evidentermaßen an den Haaren
herbeigezogen erscheinen muß. Ferner ist es alles andere als
glaubhaft, daß eine angebliche Krankheitsimitation in apotropäischer
Absicht getan wurde und bis hinein in die Liturgie ihren Weg fand,
zumal ja die Kirche das Tanzen bekämpfte. Der Heilige sollte
demnach dann helfen, wenn man das als besessen Geglaubte und zudem
moralisch Verurteilte bewußt zu seiner Ehre tat? Die Herausstellung
des örtlichen Schutzpatronates des Hl. Willibrords für
Epileptiker, Gelähmte usw. ist eine spätere Folge der
Interpretationen der Springprozession; ursprünglich war und
auch noch heute ist der Heilige für alle Krankheiten und Bedürfnisse
gut.
Gereon Vogler |